Seniorenwerbung – gibt´s die überhaupt?

17.07.2018

Prof. der Wilfried Leven

Irgendwie sind wir ja im Begriff die Bevölkerungsmehrheit zu werden, trotzdem meinen ein paar Werber, die einfach das Pesch haben, zu spät geboren worden zu sein, uns verballhornen zu müssen.

Für die Werbung bin ich abwechselnd „Best Ager“, „ Silver Surfer, „Generation 50+“, „Silver Generation“ – die Wortschöpfungskreativität  ist hemmungslos. Und alles, weil die Werber glauben, man müsse diesen Lebensabschnitt blumig umschreiben, damit er mir nicht so grausam vorkommt.

Aber – es ist gar nicht grausam, aus meiner Sicht! Offensichtlich nur aus der Sicht der Werber, die sich altersbedingt gar nicht vorstellen können, dass das Leben jenseits von 50 Jahren immer noch lebenswert ist.

Und bei all dem lache ich – Botox hat offensichtlich mein Gesicht so verzerrt, dass ich immer grinse – dabei könnte man doch das große Heulen bei dieser Art der werblichen Ansprache bekommen.

Liebe Kollegen, Ihr glaubt wirklich ernsthaft, mit 50 würde ein Schalter umgelegt, vom 6. Gang wird in den 1. zurückgeschaltet und ab jetzt ist man alt? Und damit in meinem tristen Altersalltag auch noch etwas Freude aufkommt, müsst Ihr mich schrill, platt und völlig überzeichnet darstellen? – quasi: lach´ doch über dich selbst?

Nun kann man ja immer gut meckern, aber besser machen? Ja man kann es besser machen, wenn man einfach nur die üblichen Grundregeln der Marketingkommunikation befolgt:

  1. Eine Zielgruppe kann nicht nur über das Alter allein definiert werden – da sind wir seit mindestens 30 Jahren im Marketing doch schon etwas weiter – vgl. z.B. Milieustudien.
  2. Selbst wenn man für einen Moment beim Alter alleine bleibt, muss einem doch einleuchten, dass ein 80 jähriger Mensch anders angesprochen wird, als einer mit 55jähriger. Was soll also der Quatsch mit Generation 50 + usw.? Das ist eine theoretische Größe, die empirisch keine Bedeutung hat.
  3. Begriffe mit negativen Konnotationen – wie z.B. „alt“ – sind in der Werbung zu vermeiden. Nicht nur als Begriff, sondern auch als Bildinterpretation, damit keine, die Werbewirkung reduzierende Reaktanz entsteht.

Gibt es auch etwas Spezifisches in Bezug auf die Werbung? Ja, nämlich:

  1. Die heutigen 50 Jährigen fühlen sich wie 38 jährige, die 60 jährigen wie 45 usw. Niemand fühlt sich mehr so alt, wie das biologisches Alter ist. Werbung, die 60 jährige ansprechen will, muss sich also an 45 jährige richten usw. Aber auch das gilt natürlich auch für Zielgruppen unter 50 Jahren.
  2. Menschen gewinnen mit zunehmendem Alter mehr Erfahrung und lassen sich immer weniger ein X für ein U vormachen – auch nicht in der Werbung, also: Übertreibungen weg, klare Aussagen, die glaubwürdig sind.
  3. Die Macher (Fotograf, Filmer, Texter etc.) sollten dicht an der Zielgruppe dran sein und ähnlich ticken wie die Zielgruppe.

Aber auch das sind praktisch wieder alles Grundregeln der Kommunikation. Das Problem 50 + reduziert sich auf das Problem der zielgruppengerechten Ansprache. Und dazu muss man wissen, wie die Zielgruppe tickt, ob sie nun Generation Y heißt oder ob es sich um Menschen in Seniorenheimen dreht.  Wir machen Werbung für Zielgruppen…

Das musste doch mal gesagt werden! Auch wenn mich jetzt alle, die mit Seniorenwerbung ihr Geld verdienen, am liebsten steinigen würden. Aber nicht jedem Rattenfänger muss man folgen.

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